Mercedes wird die Rücknahme der doppelten Fehlentscheidung sicher kaum wegen der großen Besorgnis um die Sicherheit seiner Käufer vorgenommen haben. Begründet wird dies zwar damit. In Wahrheit dürfte vielmehr dahinter stehen, dass - trotz Segen der EPA, ASHRAE Zertifizierung und Zulassung durch die SAE - aufgrund zu erwartender Regressforderungen nach US-Produkthaftung Ansprüche in Millionenhöhe ins Haus stehen werden.
Wäre weniger gut fürs Image und noch weniger für die Börsenkurse.
In der Presseverlautbarung schreibt Mercedes, dass das gefundene Zündverhalten jederzeit einwandfrei reproduzierbar sei. Allen interessierten Herstellern könne dies auf Wunsch demonstriert werden. Vermutlich zuerst in Wolfsburg. Honeywell dagegen zeigte sich vollkommen überrumpelt, wo man doch zuvor so offen miteinander kooperiert habe. Jedenfalls steht ein Hausbesuch in Untertürkheim an, wo die neuesten Mercedesinternen Untersuchungsergebnisse nochmals eingehend ventiliert werden sollen.
Bereits seit Ende letzten Jahres stehen die beiden Haupthersteller Honeywell und DuPont bei der EU unter dem Verdacht, wettbebwerbswidrige Kartellabsprachen zum Schaden der Verbraucher getroffen zu haben. Dabei handelt es sich um Kältemittel für KFZ-Anwendungen.
Mercedes bewegt sich derzeit innerhalb eines vollkommen rechtskonformen Rahmen.
Die EU Kommission hat den Automobilherstellern eine
Ausnahmegenehmigung erteilt, übergangsweise - bis jedoch längstens zum 31.12.2012 - ersatzweise R134a füllen zu dürfen. Dies hat rein gar nichts mit obiger Thematik (Brennbarkeit) oder evtl. offenen Zulassungsfragen zu R1234yf zu tun. Der Grund sind eklatante Lieferschwierigkeiten der Haupthersteller. So soll es in China zu Genehmigungsschwierigkeiten der Fabrik gekommen sein. Und in einem DuPont Werk in Japan verweist man auf die Folgen von Fukushima. Aus diesem Grund ist der neue B immer noch mit R134a befüllt worden.
Die in einigen Medien angekündigte KDM zum SL ( Absaugen von R1234yf und Ersatzfüllung mit R134a) wäre bis Jahresende vermutlich auch noch legitim, aber juristisch eventuell schon fragwürdig.
Ein wenig Hintergrund zum meines Erachtens eigentlichen Skandal:
(Auszug aus meinem Beitrag in einem anderen Forum)
Mehr als vier komplette Jahre verplempert. Die nahezu einmalige Chance, die europäischen und besonders die deutschen Autobauer mit der Umsetzung einer umweltfreundlichen, preiswerten, nicht patentierbaren MAC-Alternative führend an die Weltspitze zu katapultieren. Und dieses Know-how im Anschluss auch exportieren zu können. Alles leichtfertig verspielt.
Grob chronologisch:
Da die EU durch Gutachten die Emissionen des Kältemittels R134a ( hohes GWP ) aus KFZ Klimaanlagen als einen der Hauptemmitenden ausgemacht hat, wurde dies (mit Übergangsfrist) für Neuhomologationen ab dem 1.01.2011 als Füllung untersagt. (2006/40/EC)
Zulässig ab diesem Stichtag nur noch KM mit einem GWP <150.
Anlässlich der (grünen) IAA 2007 verkündete VDA Präsident Wissmann die unisono getroffene Entscheidung der angeschlossenen Automobilbauer, die zukunftsweisende Weichenstellung für R744 (CO2) sei beschlossen. Am Vorabend gab ein Münchner Hersteller (der mit den blau-weissen Propelller) noch sein Debüt, das weltweit erste Fahrzeug mit dieser Klimatechnik ausliefern zu wollen.
Die Zulieferindustrie hatte mit etlichem Forschungsaufwand den kompletten Workaround um die neue R744 Technologie einbaufertig auf Lager.
( Valeo, Visteon, Denso , Obrist, Behr, ixetic ... unvollständig! ) Natürlich nicht zu gleichen Kosten.
Danach herschte eine eher verdächtige Stille um das Thema. Nur sicher nicht im Hintergrund. Die Hauptlieferanten von fluorierten Kältemitteln wollten sich den künftigen Millardenmarkt nicht ohne weiteres abnehmen lassen. DuPont und Honeywell hatten mit DP1 und Fluid-H bereits eigene Alternativen im Portfolio, die sich allerdings als untauglich erwiesen. In Folge legten die beiden konkurrierenden Boliden sogar ihre F&E zusammen, um als gemeinschaftliche Entwicklung R 1234yf zu präsentieren und vermarkten. Im Anschluss kaum verwunderlich, dass als eine der ersten die US-Umweltbehörde EPA ihre Bedenken als grundlos aufgab, R1234yf durchwinkte und als MAC-Alternative pries. Im Nachgang fielen - entgegen der eigenen Zusagen - alle Automobilbauer um, und entschieden sich für R1234yf. Kosteneinsparung winkte, denn die bekannten, alten R134a Komponenten waren unverändert einsetzbar.
Die CO2 Pioniere blieben auf ihern Entwicklungskosten sitzen, aber nicht untätig. Mit den wenig verfügbaren Samples von R1234yf stellten sie aufgrund von Anfangsverdachten eigene Untersuchungen an und diese wurden in Bezug auf Brennbarkeit und der Freisetzung giftiger und hochätzender Flusssäure bestätigt gefunden. Die DUH war daran beteiligt und hat für die Veröffentlichung sowie entsprechenden Pressewirbel gesorgt.
Dadurch aufmerksam geworden, hat gar das UBA eigene unabhängige Untersuchungen beim BAM beauftragt, welches - vorsichtig formuliert - zu kaum einem anderen Ergebnis kam.
Und diese Erkenntnisse sind bereits seit vier Jahren bekannt!
Vier Jahre Untätigkeit, vier Jahre blindes Vertrauen in die Heilszusagen der Fluorchemiegiganten und nun die Präsentation einer neuen Sachlage?
Um nun - als Ausweg wegen angeblicher Altrnetivlosigkeit - ab sofort das längst verbotene R134a weiter füllen zu können, halte ich, mit Verlaub gesagt weniger für eine "sehr gute und nachvollziehbare Entscheidung" sondern eher für eine bodenlose Frechheit. Es sind eher Jahre des Pokerns mit gezinkten Karten.
Mercedes wird sicher nicht der einzige Hersteller bleiben, bekommt aber als erster die volle Packung ab. Und meines Erachtens zu Recht. Selbst wenn im Nachgang Strafzahlungen von 665,-EUR/Fahrzeug an die EU zu zahlen sind, kommt das in Summe offenbar noch billiger, als die Ausrüstung mit R744-Komponenten. Hinzu kommt, dass die Abgabepreise für R1234yf zum Bedauern der Hersteller in etwa das 10-fache von R134a betragen sollen. Also noch mal was gespart, dank Rückrüstung auf R134a.
In meinen Augen ein vollkommen verlogenes Spiel. Und dabei auch noch ohne Not leichtfertig Technologievorsprung vergeigt.
Sollte dann noch die EU im Nachgang unverschämterweise mit Gesetzestexten drohen, wird vermutlich Frau Kanzlerin den angerichteten Scherbenhaufen kitten (dürfen) müssen. Denn wir haben ja schliesslich Wirtschaftskrise II und der dann folgende Hinweis auf gefährdete Arbeitsplätze wird genügend Drohkulisse aufbauen, um Ausnahme- Übergangs- und Sonderregelungen auszukungeln.